So unterschiedlich die verschiedenen Steuerarten und ihre Besteuerungsregeln sind, so gibt es doch gemeinsame Grundsätze. Zu diesen gehört bspw. die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit oder das Gleichbehandlungsgebot zwischen wesentlich gleichen Sachverhalten.
Daneben gründet sich das Besteuerungsverfahren und die Festsetzung der Steuer auf ein gemeinsames Verfahrensgesetz, nämlich die Abgabenordnung. Diese regelt die Tätigkeit der Steuerbehörden und die Art und Weise, wie sie Entscheidungen fällen. In weiten Teilen ist die Abgabenordnung dem Verwaltungsverfahrensgesetz nachgebildet.
Mit Kenntnis dieser Grundlagen des Steuerrechts ist es leichter, spezifische Fragen aus den jeweilige Spezialgesetzen einordnen und verstehen zu können.
Inhalt
Was steht in der Abgabenordnung?
Die Abgabenordnung wird in Fachkreisen teilweise als „Grundgesetz des Steuerrechts“ bezeichnet. Weniger pathetisch kann man sagen, dass es sich um ein steuerrechtliches Mantelgesetz oder um einen allgemeinen Teil des Steuerrechts handelt, der auf alle einzelnen Steuerarten anwendbar ist.
Die Abgabenordnung enthält allgemeine Vorschriften wie Definitionen, behandelt das Rechtsverhältnis zwischen Finanzbehörden und Bürgern („Steuerschuldrecht“), das Veranlagungs- bzw. Festsetzungserfahren, das Steuererhebungsverfahren, das Recht des Einspruchs gegen den Steuerbescheid sowie das steuerrechtliche Straf- und Bußgeldverfahren.
Nicht in der Abgabenordnung stehen dagegen die einzelnen Steuern, also die jeweilige Steuerpflicht, deren Höhe, Freibeträge, Ausnahmen usw.
Kann man einem Steuerbescheid widersprechen?
Ja. Der Widerspruch gegen Steuerbescheide und alle anderen Verwaltungsakte des Finanzamts wird als Einspruch bezeichnet (§ 347 der Abgabenordnung).
Ausgeschlossen ist der Einspruch gemäß § 348 AO nur gegen Einspruchsentscheidungen (also ein zweiter Einspruch), gegen VAs oberster Landes- und Bundesbehörden, gegen Entscheidungen in Steuerberatersachen sowie gegen ganz spezielle, praktisch kaum relevante Allgemeinverfügungen.
Wer ist Angehöriger im Sinne des Steuerrechts?
Der Angehörigenbegriff der Abgabenordnung ist deutlich enger als der sehr weite Verwandtenbegriff des BGB. § 15 AO zählt nur dazu:
1. der Verlobte, auch im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes,
2. der Ehegatte oder Lebenspartner,
3. Verwandte und Verschwägerte gerader Linie,
4. Geschwister,
5. Kinder der Geschwister,
6. Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Ehegatten oder Lebenspartner,
7. Geschwister der Eltern,
8. Personen, die durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft wie Eltern und Kind miteinander verbunden sind (Pflegeeltern und Pflegekinder).
Wann verjährt die Steuerpflicht?
Die Steuerfestsetzung verjährt bei Verbrauchsteuern (z.B. Energie- oder Biersteuer) nach einem Jahr, bei allen anderen erst nach vier Jahren (§ 169 Abs. 2 AO).
Entscheidend ist dabei aber auch die Berechnung der Frist gemäß § 170 AO: Sie läuft erst, wenn die Steuer entstanden ist. Wird die Steuer aufgrund einer Steuererklärung erhoben (bspw. bei der Einkommensteuer), so beginnt sie erst am Ende des Jahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf von drei Jahren Kalenderjahren nach dem Entstehen der Steuerpflicht. Dieser Entstehungszeitpunkt richtet sich in der Regel nach den Spezialgesetzen, z.B. bei der Einkommensteuer am Ende des Jahres (§ 36 Abs. 1 EStG).
Gilt die Abgabenordnung auch für Gemeindesteuern wie die Gewerbesteuer?
Nein, die Abgabenordnung ist gemäß ihres § 1 Abs. 1 nur anwendbar, wenn eine Steuer durch Bundesfinanzbehörden oder durch Landesfinanzbehörden verwaltet wird. Die Gemeindesteuern werden aber direkt durch die Gemeindebehörden erhoben (auch, wenn es sich um Bundes- oder Landesgesetze handelt). Insoweit ist z.B. in Bayern das Kommunalabgabengesetz (KAG) einschlägig. Allerdings werden viele Vorschriften der AO gemäß § 1 Abs. 2 analog angewandt.
Ist gegen kommunale Steuerbescheide der Einspruch zuständig?
Nein, da die Abgabenordnung, insbesondere § 347, auf Gemeindesteuern nicht anwendbar ist. Stattdessen gilt hier das allgemeine Verwaltungsrecht, wonach gegen Verwaltungsakte der Widerspruch zulässig ist (§ 68 Abs. 1 VwGO). Im Gegensatz zu den meisten Rechtsgebieten ist im Kommunalabgabenrecht der Widerspruch bisher nicht abgeschafft worden (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des bayerischen Ausführungsgesetzes zur Verwaltungsgerichtsordnung/AGVwGO).
Kann man Steuern aushandeln?
Nein, es gibt ein umfassendes steuerrechtliches Gesetzlichkeitsgebot, das sehr begrenzten Ermessens- oder Verhandlungsspielraum lässt. § 85 Abgabenordnung sagt:
Die Finanzbehörden haben die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden.
Die Steuern ergeben sich also aus dem Gesetz, ein Aushandeln ist weder notwendig noch möglich. Möglich sind aber sogenannte tatsächliche Verständigungen.
Was sind tatsächliche Verständigungen?
Bei einer tatsächlichen Verständigung einigen sich das Finanzamt und der Steuerpflichtige auf einzelne Tatsachen, die Grundlage für die Besteuerung sind. Dadurch kann eine möglicherweise eine umfangreiche Beweisaufnahme vermieden werden. Typische Gegenstände einer Verständigung sind beispielsweise der Anteil der Privatnutzung an einem Pkw oder die Beschaffenheit eines Grundstücks.
Wie kommt das Finanzamt an Zahlung und Daten für die Besteuerung?
Gemäß § 88 der Abgabenordnung gilt der Untersuchungsgrundsatz, das Finanzamt muss also die steuerlich relevanten Tatsachen selbst (von Amts wegen) ermitteln. Hierfür kann es beispielsweise gemäß § 93 AO von jedermann (also nicht nur vom Steuerpflichtigen) Auskünfte verlangen, die der Gefragte auch erteilen muss.
Allerdings bedeutet dies nicht, dass der Steuerpflichtige passiv bleiben und die Ermittlungen des Finanzamts abwarten kann. Er ist vielmehr zur Mitwirkung verpflichtet (§ 90 AO) und muss bspw. auch Nachweise vorlegen (§ 97 AO). Zudem muss er natürlich z.B. für die Einkommensteuer eine Steuererklärung einreichen (§ 149 AO, § 25 Abs. 3 EStG).
Was ist die Künstlersteuer?
Künstler, die in Deutschland auftreten, aber hier nicht regulär steuerpflichtig sind (insb. weil sie keinen Wohnsitz hier haben), müssen gemäß § 50a EStG lediglich 15 % Künstlersteuer (auch Ausländersteuer genannt – beide Begriffe sind missverständlich) auf ihre Gage bezahlen. Bei diesem Steuersatz handelt es sich um eine pauschale Abgeltung der Einkommensteuer. Dabei dürfen andererseits auch keine Ausgaben abgezogen werden, was den relativ niedrigen Steuersatz erklärt.
Die Künstlersteuer muss grundsätzlich vom Veranstalter ans Finanzamt abgeführt werden, der in der Regel einen entsprechenden Teil der Gage einbehält. Damit kann sich das Finanzamt an den vor Ort ansässigen Veranstalter wenden, der leichter greifbar (und zur Not auch pfändbar) ist als der ausländische Künstler.
Was bedeutet „steuerbar“?
„Steuerbar“ bedeutet im wesentlichen „besteuerbar“, also der Steuerpflicht unterliegend. Vom Wortgebrauch her bezeichnet man dabei nicht Personen als steuerbar, sondern Einkünfte.
Muss ich in Steuersachen gegen meine Angehörigen aussagen?
Nein, gemäß § 101 Abs. 1 Satz 1 AO gibt es für Angehörige eine Ausnahme von der Auskunftspflicht. Über dieses Recht ist der Angehörige zu belehren (Satz 2); bei einem Verstoß dagegen ist die Aussage nicht verwertbar, weder im Steuerstraf- noch im normalen Steuerverfahren. Gemäß § 104 Abs. 1 gilt dies auch für die Vorlage von Dokumenten.
Kann der Steuerberater Akten gegenüber dem Finanzamt zurückhalten, wenn der Mandant nicht bezahlt hat?
Nein, denn sonst läge es ja beim Mandanten, durch Nichtbezahlung des Steuerberaters seine Auskunftspflicht gegenüber dem Finanzamt zu blockieren.
Muss mir das Finanzamt Antworten auf steuerrechtliche Fragen geben?
Das kommt darauf an.
Wenn es um Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit dem Steuerverfahren geht, muss das Finanzamt über diese aufklären (§ 89 Abs. 1 Satz 2 AO).
Andere Auskünfte zu noch nicht verwirklichten steuerlichen Sachverhalten (bspw. ein geplantes Verkaufsgeschäft oder die Aufnahme einer bestimmten Tätigkeit) „kann“ das Finanzamt geben (§ 89 Abs. 2) – in der Regel wird es das auch tun. Allerdings ist eine solche Auskunft gebührenpflichtig (Abs. 3 Satz 1).
Was ist die Abfärberegelung?
Gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gelten alle Einnahmen einer Personengesellschaft als gewerblich, wenn diese neben anderen auch nur eine gewerbliche Tätigkeit ausübt.
Um dies zu vermeiden, können die verschiedenen Tätigkeitsbereiche in verschiedene Gesellschaften aufgeteilt werden. Eine rein freiberuflich tätige Gesellschaft kann so von den Vorteilen eines Freiberuflers profitieren, ohne dass die gewerbliche Tätigkeit hieraus „abfärbt“.
Darf das Finanzamt ins Blaue hinein ermitteln?
Nein, das nicht, es muss zumindest einen nachvollziehbaren Anhaltspunkt geben. Besteht ein solcher Anfangsverdacht (Beispiel: jemand inseriert eine ausländische Immobilie und es ist bekannt, dass solche Anschaffungen oft mit Schwarzgeld finanziert wurden), kann die Steuerfahndung tätig werden. Diese ist auch für die „Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle“ zuständig (§ 208 Abs. 1 AO).
Was ist ein Grundlagenbescheid?
Ein Grundlagenbescheid ist ein Bescheid, der bestimmte Feststellungen für die spätere Steuerfestsetzung vorab klärt (§ 171 Abs. 10 Satz 1 AO). Beispiele hierfür sind der Feststellungsbescheid und der Steuermessbescheid.
Was ist ein Folgebescheid?
Ein Folgebescheid ist ein Verwaltungsakt, der sich auf einen vorhergehende Feststellungsbescheid und die von diesem festgestellten Tatsachen bezieht. Der Feststellungsbescheid ist insoweit bindend, von ihm kann also im Folgebescheid nicht abgewichen werden. Kommt das Finanzamt zu einer anderen Bewertung, so muss es zunächst den Feststellungsbescheid aufheben.
Gibt es noch einen Einheitswert für Grundstücke?
Ja, aber nur noch für die Grunderwerbsteuer. Die frühere Einheitswertbesteuerung bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer wurde durch neue Vorschriften des ErbStG ersetzt, die kaum noch logisch herleitbar sind.
Wie hoch sind die Zinsen auf Steuerschulden?
Die Zinsen für ausstehende Steuern betragen ungefähr 6 % pro Jahr, berechnet als 0,5 % pro vollen Monat (§ 238 Abs. 1 AO). Der Zinslauf beginnt allerdings erst 15 Monate nach dem Ende des Entstehungskalenderjahrs (§ 233a Abs. 2 Satz 1) und angefangene Monate werden überhaupt nicht berücksichtigt.
Kann mein Steuerberater die Steuererklärung unterschreiben?
Viele Gesetze ordnen eine persönliche Unterzeichnung der Steuererklärung durch den Steuerpflichtigen selbst an (z.B. §§ 25 Abs. 2, 39a Abs. 2 Satz 1 EStG, 18 Abs. 3 UStG, 31 Abs. 4 ErbStG). Grundsätzlich ist die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten dann nur zulässig, wenn der Steuerpflichtige „infolge seines körperlichen oder geistigen Zustands oder durch längere Abwesenheit an der Unterschrift gehindert ist“ (§ 150 Abs. 3 AO).
Ist es Steuerhinterziehung, wenn ich meine Steuererklärung zu spät einreiche?
Ja, denn gemmäß § 370 Abs. 4 Satz 1 sind „Steuern namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden“. Eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung scheitert dann wahrscheinlich am Vorsatz, ausreizen sollte man dies aber keinesfalls, da es auch andere Sanktionen wie eine Steuerschätzung, Zwangsmittel und den Säumniszuschlag gibt.
Kann ich eine Gesellschaft einfach auflösen, um Nachfragen der Steuerbehörden zu entgehen?
Zivilrechtlich ist es so, dass eine liquidierte Gesellschaft nicht mehr existiert. Es gibt dann diese juristische Person nicht mehr, sodass man auch an niemanden mehr herantreten kann, um etwaige Verpflichtungen einzufordern. Steuerrechtlich gilt dies nicht. Hier wird die Gesellschaft solange als bestehend behandelt, wie noch irgendwelche Rechtsbeziehungen zwischen ihr und dem Fiskus offen sind. Hierfür werden in der Regel die Liquidatoren als weiterhin vertretungsberechtigt angesehen.
Was sind „Steuerbescheiden gleichstellte Bescheide“?
Darunter versteht man zunächst die Unterarten des Steuerbescheids, nämlich den Freistellungsbescheid, den Ablehnungsbescheid und die Steuervergütung. Daneben gehören auch der Vorauszahlungsbescheid, die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung, der Feststellungsbescheid, der Steuermessbescheid und der Zinsbescheid dazu. All diese Bescheide haben unmittelbar etwas mit der Steuerhöhe zu tun.
Keine gleichgestellten Bescheide sind die verfahrenstechnischen und diejenigen, die sich lediglich auf Nebenleistungen beziehen, vor allem Auskunftsersuchen, Fristverlängerungen, Verspätungszuschläge, der Haftungs- und Duldungsbescheid, Prüfungsanordnungen, Abrechnungsbescheide, Stundungen, Erlasse, Pfändungen sowie die Aussetzung der Vollziehung.
Kann ich risikolos Einspruch einlegen?
Nein, ein „Verböserungsverbot“ gibt es hier nicht. Der Einspruch führt zu einer „Gesamtaufrollung“ und Neubewertung des kompletten Sachverhalts. Auf einen Einspruch hin kann die Behörde auch eine noch schlechtere Entscheidung für den Steuerpflichtigen erlassen. § 367 Abs. 2 Satz 1 AO sagt:
Die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet, hat die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen.
Im Weiteren wird klargestellt, dass ein Abweichen zu Ungunsten des Steuerpflichtigen nur voraussetzt, dass sich diese zunächst dazu äußern kann.
Hat man Anspruch auf einen Steuerbescheid?
Ja, § 155 Abs. 1 Satz 1 AO sagt:
Die Steuern werden (…) von der Finanzbehörde durch Steuerbescheid festgesetzt.
Hieraus ergibt sich eine Pflicht des Finanzamts zum Erlass des Steuerbescheids, spiegelbildlich dazu hat der Steuerpflichtige also ein entsprechendes Recht auf den Bescheid.
Muss der Einspruch begründet werden?
Nein. § 357 Abs. 3 AO sagt zwar, dass man gewisse Dinge anführen soll:
Bei der Einlegung soll der Verwaltungsakt bezeichnet werden, gegen den der Einspruch gerichtet ist. Es soll angegeben werden, inwieweit der Verwaltungsakt angefochten und seine Aufhebung beantragt wird. Ferner sollen die Tatsachen, die zur Begründung dienen, und die Beweismittel angeführt werden.
Aber das ist eben nur eine Soll-, keine Muss-Vorschrift. Die Behörde muss den Verwaltungsakt stets in vollem Umfang überprüfen.
Ist der Einspruch kostenpflichtig?
Nein, der Einspruch ist kostenfrei, es gibt hier keine Kostennorm. Allerdings wird immer mal wieder diskutiert, ob nicht eine Gebühr eingeführt werden soll.
Haftet der Geschäftsführer einer Gesellschaft für die Verletzung von Steuerpflichten?
Ja, § 69 AO nimmt die Vertreter in die Haftung für vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzungen. Allerdings ist die Vollstreckung gegen ihn nachrangig gemäß § 219 AO, es muss also zuerst gegen die Gesellschaft vollstreckt werden.
Hafte ich, wenn ich jemandem bei der Steuerhinterziehung helfe?
Ja, die Haftung richtet sich nach § 71 AO:
Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235.
Teilnahme erfasst dabei auch Beihilfe und Anstiftung.
Hafte ich für bestehende Steuerschulden eines Betriebs, den ich übernehme?
Ja, § 75 Abs. 1 Satz 1 AO sagt:
Wird ein Unternehmen (…) übereignet, so haftet der Erwerber für Steuern (…), vorausgesetzt, dass die Steuern seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahrs entstanden sind und bis zum Ablauf von einem Jahr nach Anmeldung des Betriebs durch den Erwerber festgesetzt oder angemeldet werden.
Es geht also nur um die Steuern aus dem Jahr der Übereignung und dem Vorjahr und sie müssen innerhalb eines ganzen Jahres ab Übereignung festgesetzt werden.
Ist die Abgabenordnung jemals in Kraft getreten?
Ja, und zwar am 1. Januar 1977.
Richtig ist zwar, dass der Paragraph der Abgabenordnung, der ursprünglich ihr Inkrafttreten regelte, heute nicht mehr abgedruckt wird. Bei § 415 AO wird zumindest seit der Neubekanntmachung im Jahr 2002 nur noch der Vermerk „(Inkrafttreten)“ angegeben.
In der amtlichen Bekanntmachung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt vom 23. März 1976 (BGBl. I, Seite 613; Seite 85 des PDF-Dokuments) lautete der Paragraph allerdings:
(1) Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1977 in Kraft, soweit Absatz 2 nichts anderes bestimmt.
(2) § 19 Abs. 5, § 117 Abs. 5, § 134 Abs. 3, § 139 Abs. 2, § 150 Abs. 6, § 156 Abs. 1, § 178 Abs. 3, § 212, § 382 Abs. 4, § 387 Abs. 3 und § 391 Abs. 2 treten am Tage nach der Verkündung in Kraft.
Später wurde, um das Inkrafttreten einer nachfolgenden Änderung zu regeln, noch ein dritter Absatz eingefügt:
(3) Die §§ 52 und 55 sind erstmals ab 1. Januar 1984 anzuwenden.
All dies ist heute bedeutungslos. Sobald das Inkrafttreten abgeschlossen ist, braucht es die Regelungen hierzu nicht mehr; man kann sie also aufheben oder einfach ignorieren. Sämtliche Vorschriften der AO sind mittlerweile in Kraft, einige seit dem Tag nach der Verkündung (also seit 24. März 1976), andere seit dem ursprünglichen Inkrafttreten der Gesamt-AO (1. Januar 1977), viele andere in ihrer heutigen Form erst durch eines der zahlreichen Änderungsgesetze. Insofern hat § 415 AO in seiner Urfassung keinerlei Rechtswirkung mehr, es ist also sinnlos, ihn abzudrucken – aber er besteht noch, und zwar genau in dieser Form.
Gleiches gilt übrigens für § 414 AO, der nur noch mit „(gegenstandslos)“ wiedergegeben wird. Dieser enthielt (und enthält!) die „Berlin-Klausel“, also die Feststellung, dass das Gesetz auch im damaligen West-Berlin gelten sollte.
Übrigens: Sogar, wenn die Abgabenordnung keinerlei Regelung über ihr Inkrafttreten treffen würde, würde das nicht bedeuten, dass sie niemals wirksam geworden wäre. Dann gilt nämlich Art. 82 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes. Danach treten alle Gesetze 14 Tage nach ihrer Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft. Und seit März 1976 sind unstreitig schon etwas mehr als zwei Wochen vergangen.
Wofür zahlt man Hundesteuer?
Man zahlt die Hundesteuer deswegen, weil jemand, der sich ein Luxustier wie einen Hund leisten kann, offensichtlich über soviel Geld verfügt, dass man ihm noch etwas mehr davon nehmen kann. Das ist das Wesen einer Aufwandsteuer, zumindest im ursprünglichen Sinne.
Dass die Hundehaltung heute sicher nichts mehr mit Reichtum zu tun hat, steht auf einem anderen Blatt. Darum haben andere Aspekte wie die Eindämmung übermäßiger Hundehaltung und auch die durch Hunde verursachten Kosten für die Allgemeinheit an Bedeutung gewonnen.
Fragensammlung zum Steuergeheimnis
Wer ist an das Steuergeheimnis gebunden?
Das Steuergeheimnis verpflichtet sowohl Amtsträger (§ 7 AO) als auch diesen gleichgestellte Personen (§ 30 Abs. 3). Hierzu gehören auch die Hilfskräfte der Behörde, nicht jedoch Dritte, die steuerrelevante Auskünfte geben oder in irgendeiner Form an der Besteuerung beteiligt sind.
Was ist vom Steuergeheimnis umfasst?
§ 30 umfasst alle im Rahmen des Steuerverfahrens bekannt gewordenen „Verhältnisse“. Hierzu gehören alle wirtschaftlich und steuerlich relevanten Tatsachen sowie höchstpersönliche Lebensverhältnisse und Geschäftsgeheimnisse.
Wer ist vom Steuergeheimnis geschützt?
Das Steuergeheimnis schützt nicht nur den Steuerpflichtigen selbst, sondern auch alle anderen Personen, die Angaben über die steuerlichen Verhältnisse anderer machen müssen.
Welche Folgen hat eine Verletzung des Steuergeheimnisses?
Eine vorsätzliche Verletzung kann eine Straftat gemäß § 255 StGB darstellen. Der Betroffene hat ggf. einen Staatshaftungsanspruch aus Art. 34 GG, § 839 BGB. Zudem kann sich hieraus ein Verwertungsverbot für Steuerstraftaten (§ 393 Abs. 2 AO) ergeben.
Fragensammlung zur Steuererklärung
Ist die Steuererklärung eine Willenserklärung?
In der Regel nicht, da dadurch keine Rechtsfolgen herbeigeführt werden, sondern lediglich Tatsachen erklärt werden. Es handelt sich daher um eine Wissenserklärung.
Eine Willenserklärung kommt nur insoweit in Betracht als Steuerermäßigung beantragt werden oder Wahlrechte ausgeübt werden.
Bis wann muss eine Steuererklärung abgegeben werden?
Sofern es im Spezialgesetz keine Regelung gibt, gilt § 149 Abs. 2 AO. Danach müssen Steuererklärungen, die sich auf das Kalenderjahr beziehen (z.B. Einkommensteuer), bis zum 31.5. des folgenden Jahres abgegeben werden.
Wann kann die Erklärungsfrist verlängert werden?
Wird die Steuererklärung mithilfe eines Steuerberaters erstellt, verlängert sich die Frist stets (durch Allgemeinverfügung) bis auf 31.12. Im Übrigen kann die Frist auf begründeten Antrag hin verlängert werden, regelmäßig auf 31.8.
Wie muss die Steuererklärung abgegeben werden?
Die Erklärung bedarf grundsätzlich der Schriftform auf den amtlich vorgeschriebenen Vordrucken, § 150 Abs. 1 und 3 AO. Zudem ist die elektronische Übermittlung der Daten häufig notwendig, z.B. bei Gewinneinkünften.
Welche Folgen kann ein Verstoß gegen die Erklärungspflicht haben?
Wird die Steuererklärung nicht abgegeben kommen folgende Maßnahmen in Betracht:
- Verspätungszuschlag (§ 152 AO)
- Schätzung (§ 162)
- Hinterziehungszinsen (§ 235)
- Zwangsgeld (§§ 332, 333)
- Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung (§ 370)
Was bedeutet Steueranmeldung?
Bei der Steueranmeldung erfolgt gemäß § 150 Abs. 1 Satz 3 AO eine Berechnung der Steuer durch den Steuerpflichtigen selbst. Eine Steuerfestsetzung durch das Finanzamt ist dann nicht mehr notwendig. Die Anmeldung steht einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich, § 168 Satz 1 AO.
Fragensammlung zur Buchführungspflicht
Wer ist zur Buchführung verpflichtet?
Bücher und Bilanzen müssen grundsätzlich alle Kaufleute aufstellen, §§ 238 und 242 HGB. Kaufmann ist, wer ein Handelsgewerbe i.S.d. § 1 Abs. 2 HGB betreibt oder sonst nach den HGB-Vorschriften Kaufmann ist (§§ 2, 3, 6 HGB).
Was ist die abgeleitete Buchführungspflicht?
Gemäß § 140 AO ist zur Buchführung in steuerlicher Hinsicht verpflichtet, wer hierzu auch nach anderen Vorschriften verpflichtet ist.
Daneben besteht eine originär steuerrechtliche Buchführungspflicht, wenn bestimmte Umsatz- und Gewinngrenzen überschritten werden (§ 141 AO).
Sind Freiberufler zur Buchführung verpflichtet?
Nein, da sie keine Kaufleute sind und die originär steuerrechtliche Buchführungspflicht nur auf Unternehmer anwendbar ist. Sie berechnen ihren Gewinn daher als Einnahmeüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG), sofern sie nicht freiwillig Bücher führen.
Welche Steuervorteile können Behinderte in Anspruch nehmen?
Im deutschen Steuerrecht steht das Leistungsfähigkeitsprinzip ganz im Vordergrund. Die Steuer soll sich danach richten, wie leistungsfähig der Steuerpflichtige ist. Wer mehr Einkommen zur Verfügung hat, muss demnach auch mehr Steuer zahlen.
Nur ist die Frage, wie viel man zur Verfügung hat, eben nicht mit einem einfachen Blick auf den Gehaltszettel getan. Auch Ausgaben, die mit dem Geldverdienen im Zusammenhang stehen (z.B. „Werbungskosten“) sowie außergewöhnliche finanzielle Belastungen müssen berücksichtigt werden.
Finanzielle Nachteile aus einer Behinderung mindern die Steuer
Hierzu gehören auch Kosten aufgrund einer festgestellten Behinderung. Die Behinderung wird in Graden zwischen 20 und 100, daher oft auch als Prozente bezeichnet, festgestellt. Ab einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 gilt man als schwerbehindert. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Behinderung körperlich, geistig oder psychisch ist. Wichtig ist nur, dass die Behinderung nicht nur kurzfristig ist, sondern mindestens sechs Monate anhält. Ab einem GdB von 30 ist eine Gleichstellung mit Schwerbehinderten möglich, sofern diese Gleichstellung notwendig ist, um die Chancen des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern.
Die Feststellung einer Behinderung obliegt den Versorgungsämtern, die in Bayern dem Sozialministerium nachgeordnet sind. Ein bloßes ärztliches Attest ist also nicht ausreichend, auch dann nicht, wenn die Behinderung offensichtlich ist. Bei einem GdB unter 50 können Rentenbescheide eines Unfallversicherungsträgers (nicht aber der Deutschen Rentenversicherung) ausreichen.
Das Steuerrecht bietet zahlreiche Möglichkeiten, Steuerermäßigungen aufgrund von Behinderung in Anspruch zu nehmen. Einige besonders wichtige sind:
Pauschbetrag (§ 33b EStG)
Ein besonderer Pauschbetrag kann vom steuerpflichtigen Einkommen abgezogen werden, wenn
- der Grad der Behinderung mindestens 50 beträgt oder
- der GdB mindestens 25 beträgt und zudem die körperliche Beweglichkeit eingeschränkt ist oder eine Berufskrankheit vorliegt.
Der Pauschbetrag beträgt je nach Behinderungsgrad derzeit 310 bis 1420 Euro. Der Pauschbetrag wird für das gesamte Jahr in voller Höhe gewährt, auch wenn die Behinderung nur zeitweise vorlag. Hat sich der GdB im Laufe des Jahres geändert, wird der höchste Grad herangezogen.
Pauschbetrag als elektronisches Lohnsteuermerkmal
Der Pauschbetrag wird grundsätzlich erst bei der Einkommensteuererklärung berücksichtigt. Damit würde die Lohnsteuer, die als Vorauszahlung auf die Einkommensteuer dient, eigentlich immer zu hoch ausfallen und erst nachträglich eine Steuerrückzahlung erfolgen. Um dies zu verhindern, kann der Pauschbetrag als Abzugsmerkmal in der elektronischen Lohnsteuerkarte eingetragen werden. Dann wird diese Abzugsmöglichkeit bei der Berechnung der Lohnsteuer berücksichtigt, diese fällt also entsprechend niedriger aus und die Steuerersparnis verteilt sich so gleichmäßig über alle Monate.
Übertragung des Pauschbetrags vom Kind auf die Eltern (§ 33b Abs. 5 EStG)
Wenn ein behindertes Kind den Pauschbetrag nicht selbst in Anspruch nimmt, kann er auf die Eltern übertragen werden, sofern diese auch einen Kindergeldanspruch haben. Dies ist sinnvoll, wenn die Eltern ein höheres Einkommen als das Kind haben und deswegen auch mehr Steuern zahlen.
Die Eltern können neben dem Pauschbetrag auch noch ihre eigenen Aufwendungen für das Kind als außergewöhnliche Belastungen unter den dafür geltenden Bedingungen absetzen.
Eine Aufteilung des Betrags zwischen Kind und Eltern ist aber nicht möglich. Geschiedene oder dauerhaft getrennte Elternteile erhalten jeweils die Hälfte des Betrags, sofern sie keine andere Aufteilung beantragen.
Außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EStG)
Krankheitskosten können außergewöhnliche Belastungen darstellen, die vom steuerpflichtigen Einkommen abzuziehen sind. Dies gilt aber nur, wenn die Höhe der Ausgaben die zumutbare Belastung übersteigt. Zumutbare Belastung sind, je nach Einkommen und Zahl der Kinder, 1 bis 7 % des Jahreseinkommens.
Dieser Abzug hat allerdings nicht unbedingt etwas mit einer Behinderung zu tun. Auch ein Nichtbehinderter, der besonders hohe Krankheitskosten in einem Jahr hat, kann diese als außergewöhnliche Belastungen ansetzen.
Diese außergewöhnlichen Belastungen können auch neben dem Pauschbetrag angesetzt werden. Dies gilt aber nicht für Kosten, die typischerweise durch die Behinderung entstehen, da diese bereits durch den Pauschbetrag aufgefangen werden sollen. Im Einzelfall kann es hier erhebliche Abgrenzungsprobleme geben; auch die Rechtsprechung ist relativ uneinheitlich.
Schulgeld als außergewöhnliche Belastung
Schulgeld für eine Privatschule ist grundsätzlich nicht steuerlich berücksichtigungsfähig.
Eine Ausnahme besteht
- bei behinderten Schülern,
- die ausschließlich wegen ihrer Behinderung eine Privatschule besuchen müssen,
- diese Privatschule individuelle Förderung bereitstellt und
- eine schulgeldfreie Schule nicht in zumutbarer Weise erreichbar ist.
Dann wird das Schulgeld als außergewöhnliche Belastung angerechnet.
Privatfahrten als außergewöhnliche Belastung
Schwerbehinderte
- mit einem GdB von mindestens 70 und Ausweismerkmal G oder
- mit einem GdB von mindestens 80
können auch private Autofahrten als außergewöhnliche Belastung geltend machen. Hintergrund ist, dass diese Fahrten, auch wenn sie privat veranlasst sind, nur aufgrund der Behinderung unternommen werden müssen, während andere Steuerpflichtige hier nicht auf das Auto angewiesen wären. Dies gilt aber nur für unvermeidbare Fahrten (die einzeln durch ein Fahrtenbuch nachgewiesen werden müssen) bis zu einem Umfang von 3.000 km pro Jahr.
Auf die Unvermeidbarkeit der Fahrten kommt es nicht an, wenn der Steuerzahler laut Behindertenausweis
außergewöhnlich gehbehindert (aG),
- blind (B) oder
- hilflos (H)
ist. In diesem Fall sind die Fahrten auch bis zu einem Umfang von 15.000 km pro Jahr ersatzfähig.
Rein privat bedingte Fahrten bis 5.000 km und beruflich bedingte Fahrten in unbegrenztem Umfang sind berücksichtigungsfähig, wenn die Fahrleistung für eine berufsqualifizierende Ausbildung notwendig sind.
Umbaukosten, mit denen das Auto an die Behinderung angespasst wird, sind in dem Jahr, in dem sie anfallen, vollständig absetzbar.
Taxikosten können grundsätzlich unter den gleichen Voraussetzung geltend gemacht werden, wenn kein eigenes Auto zur Verfügung steht.
Wohnungsumbau als außergewöhnliche Belastung
Der Umbau der Wohnung stellt eine außergewöhnliche Belastung dar, wenn aufgrund der Umstände ersichtlich ist, dass es sich um eine Maßnahme handelt, die nur auf die Behinderung zurückzuführen ist.
Heimunterbringung als außergewöhnliche Belastung
Heimunterbringungskosten stellen grundsätzlich eine außergewöhnliche Belastung dar. Da allerdings damit die Kosten einer eigenen Haushaltsführung erspart werden, muss man sich dieser Ersparnis mit einer Pauschale von 8004 Euro pro Jahr anrechnen lassen. Die Kosten werden entsprechend gekürzt.
Tatsächliche berufliche Fahrtkosten (§ 9 Abs. 2 Satz 3 EStG)
Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeit können nicht vollständig, sondern nur im Rahmen der Pendlerpauschale (Entfernungspauschale) geltend gemacht werden. Diese Pauschale beträgt bestenfalls 50 % der tatsächlichen Kosten.
Schwerbehinderte mit Gehbehinderung (Merkmal G im Behindertenausweis) oder einem GdB von mindestens 70 können dagegen die vollen Fahrtkosten absetzen. Dies sind entweder alle Aufwendungen für das Auto, anteilig heruntergerechnet auf die beruflich bedingten Fahrten, oder Pauschalsätze von 30 Cent pro gefahrenem Kilometer für Hin- und Rückfahrt (also nicht nur für die einfache Entfernung wie bei der Pendlerpauschale).
Kosten einer Haushaltshilfe (§ 35a EStG)
Bis zu einem Betrag von 924 Euro pro Jahr (ca. 18 Euro pro Woche) konnte man bis 2008 die Kosten für eine Haushaltshilfe steuermindernd absetzen.
Dies ist nun entfallen, stattdessen kann man allgemein – unabhängig von einer Behinderung – eine Steuerminderung um 20 % der Aufwendungen beantragen. Die Kosten werden also nicht abgesetzt, sondern Steuerpflicht verringert sich um den Betrag. Wer bspw. 400 Euro pro Monat an eine Putzfrau zahlt, hat inkl. Sozialabgaben Aufwendungen von ca. 520 Euro pro Monat oder 6240 Euro pro Jahr. Damit verringert sich seine Steuerschuld (unabhängig vom Steuersatz) um 20 % davon, also um 1248 Euro. Dies entspricht fast den kompletten Lohnnebenkosten von 1440 Euro – der Staat könnte also eigentlich von Vornherein auf die Belastung dieser Arbeitsverhältnisse verzichten.
Als haushaltsnahe Dienstleistung gelten gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG ausdrücklich auch Pflegeleistungen im Heim oder zu Hause, die mit Hilfestellungen im Haushalt vergleichbar sind.
Pflege-Pauschbetrag bei Hilflosigkeit (§ 33b Abs. 6 EStG)
Anstelle der Absetzung von außergewöhnlichen Belastungen kann die Pflegeperson einen Pflege-Pauschbetrag in Anspruch nehmen. Dieser beträgt 924 Euro im Jahr. Dies rentiert sich also nur, wenn die außergewöhnlichen Belastungen unter dem Betrag liegen – liegen sie darüber, ist es sinnvoller, diese tatsächlichen Ausgaben anzusetzen.
Voraussetzung dafür ist aber, dass die gepflegte Person hilflos ist. Hilflos ist, wer „für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf.“ (§ 33b Abs. 6 Satz 3 EStG)
Umsatzsteuerbefreiung bei Blindheit (§ 4 Nr. 19 UStG)
Blinde Unternehmer mit maximal zwei Arbeitnehmern (ohne Familienangehörige und Auszubildende) sind von der Umsatzsteuer befreit. Sie können ihre Waren und Dienstleistungen also zum Nettopreis anbieten und müssen keine Mehrwertsteuer aufschlagen.
Erbschaft-/Schenkungsteuerfreiheit bei Erwerbsunfähigkeit (§ 13 Abs. 1 Nr. 6 ErbStG)
Eltern, Adoptiveltern, Stiefeltern oder Großeltern, die erwerbsunfähig sind, können steuerfreie Schenkungen (oder auch, praktisch kaum relevant, Erbschaften) erhalten, wenn ihr Vermögen nach der Schenkung nicht mehr als 41.000 Euro beträgt. Bei höheren Beträgen muss höchstens die Hälfte des über 41.000 Euro liegenden Betrags für die Steuer aufgewandt werden.
Beispiel: Vermögen vor der Schenkung 20.000 Euro, es werden 30.000 Euro geschenkt. Das Vermögen liegt jetzt bei 50.000 Euro, es müssen also höchsten 4.500 Euro (die Hälfte von 50.000 – 41.000 = 9.000 Euro) Steuer gezahlt werden.
Abschlagsfreie Verfügung über Bausparverträge (§ 4 Abs. 4 Nr. 1 des 5. VermBG)
Das fünfte Vermögensbildungsgesetz regelt vermögenswirksame Arbeitgeberleistungen, z.B. Bausparverträge. Bei diesen ist es grundsätzlich so, dass nicht zweckgebundene und vorzeitige Verfügungen zu finanziellen Nachteilen führen. Bei völlig erwerbsunfähigen Personen (in der Regel GdB von mindestens 95) gilt dies aber nicht. Diese können über die Sparsumme freier verfügen, ohne ihre Ansprüche zu verlieren.
Persönliche Bemerkung von Rechtsanwalt Thomas Hummel:
Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen sind oft erstaunlich gut über Leistungsansprüche und die Feinheiten des Sozialrechts informiert. Die möglichen steuerlichen Begünstigungen werden dagegen häufig zu wenig genutzt. Dies liegt zum Einen daran, dass diese – wie schon der obige Überblick zeigt – relativ kompliziert sind. Zum Anderen möchten sich viele Steuerpflichtige aber auch nicht mit dem Finanzamt „anlegen“.
Letztere Furcht ist aber völlig unbegründet: Es handelt sich keineswegs um Steuertricks oder gar um Steuerbetrug. Das sind ausdrücklich im Gesetz vorgesehene Freibeträge und Absetzungsmöglichkeiten, die die besondere Situation behinderter Menschen zumindest teilweise ausgleichen sollen. Darum sollten Sie auch keine Hemmungen haben, sich von einem Steuerberater oder einem im Steuerrecht tätigen Rechtsanwalt erläutern zu lassen, wie Sie hier Steuern sparen können. Gerne berate ich Sie individuell dazu.
Worauf werden Zahlungen an das Finanzamt zuerst angerechnet?
Schuldet man dem Finanzamt mehrere verschiedene Beträge, zum Beispiel Steuern, Säumniszuschläge und Zinsen, so stellt sich die Frage, worauf Zahlungen angerechnet werden.
Diese Frage ist nicht nur rein akademischer Natur, sondern hat eine ganz praktische Bedeutung: Wenn die Steuerschuld als solche getilgt wird, entstehen keine Säumniszsuchläge mehr. Denn auf Säumniszuschläge entstehen keine neuen Zuschläge, ebenso gibt es keine Zinsen auf Zinsen (Zinseszins).
Beispiel: Der Steuerzahler schuldet 1000 Euro Einkommensteuer, 500 Säumniszuschläge und 200 Euro Zinsen. Er zahlt nun 600 Euro an das Finanzamt.
Würde diese Zahlung zunächst auf die Säumniszuschläge und dann auf die Zinsen angerechnet, würden 1000 Euro Steuerschuld und 100 Euro Zinsen übrig bleiben. Diese 1000 Euro würden nun gemäß § 240 Abs. 1 AO ganze 1,0 % Säumniszuschläge pro Monat produzieren, also 10 Euro im Monat, 120 Euro im Jahr. Auf die verbleibenden 100 Euro Zinsen entfallen dagegen keine Zuschläge (§ 240 Abs. 2 AO).
Erfolgt die Zahlung dagegen auf die Steuerschuld, so verbleiben 400 Euro Steuern, 500 Euro Säumniszuschläge und 200 Euro Zinsen. Rechnerisch sind es also immer noch 1100 Euro, aber nun sind nur noch 400 Euro davon die Hauptforderung. Damit fallen Monat für Monat nur noch 4 Euro Zuschlag an, also 48 Euro im Jahr – ein erheblicher Unterschied.
Für den Steuerschuldner ist es also von Vorteil, wenn er die Hauptsteuerschuld zuerst tilgen kann.
§ 225 Abs. 1 AO erlaubt es ihm dabei, selbst zu bestimmen, was er tilgt:
Schuldet ein Steuerpflichtiger mehrere Beträge und reicht bei freiwilliger Zahlung der gezahlte Betrag nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden aus, so wird die Schuld getilgt, die der Steuerpflichtige bei der Zahlung bestimmt.
Diese Entscheidung sollte möglichst bei der Zahlung, z.B. im Überweisungstext, deutlich gemacht werden.
Erfolgt keine Tilgungsbestimmung, gilt die Reihenfolge aus Abs. 2 der Vorschrift:
Trifft der Steuerpflichtige keine Bestimmung, so werden mit einer freiwilligen Zahlung, die nicht sämtliche Schulden deckt, zunächst die Geldbußen, sodann nacheinander die Zwangsgelder, die Steuerabzugsbeträge, die übrigen Steuern, die Kosten, die Verspätungszuschläge, die Zinsen und die Säumniszuschläge getilgt.
Auch diese Reihenfolge ist noch relativ günstig für den Steuerbürger, da die Steuern ziemlich weit vorne kommen.
Weniger vorteilhaft ist erst Abs. 3 der Vorschrift:
Wird die Zahlung im Verwaltungsweg erzwungen (§ 249) und reicht der verfügbare Betrag nicht zur Tilgung aller Schulden aus, derentwegen die Vollstreckung oder die Verwertung der Sicherheiten erfolgt ist, so bestimmt die Finanzbehörde die Reihenfolge der Tilgung.
In der Zwangsvollstreckung entscheidet also das Finanzamt, was getilgt wird. Theoretisch kann das Finanzamt also das Vollstreckungsergebnis erst auf die Zinsen anrechnen – erfahrungsgemäß passiert das aber sehr selten.
Übrigens: Auch in der Zwangsvollstreckung gelten für freiwillige Zahlungen die Absätze 1 und 2. Wer also nicht auf die Kontopfändung wartet, sondern selbst noch überweist, kann immer noch die für ihn günstige Tilgungsreihenfolge wählen. Mehr dazu auf urteilsbesprechungen.de – BFH, Urteil vom 14.10.1999, Az.: IV R 63/98.
(Letzte Aktualisierung: 18.01.2024)